Entwurf Polizeigesetz gemäss Gutachten bundesrechtswidrig

Das neue Thurgauer Polizeigesetz soll der Polizei das Recht geben, präventiv in Handys, Laptops und andere elektronische Geräte Einsicht zu nehmen sowie Hotels, Restaurants und Erotikbetrieben ohne Verdachtsmomente präventiv zu durchsuchen. Die Fraktion der FDP.Die Liberalen hat sich in der ersten Lesung des Grossen Rates gegen diese Eingriffe in die Privatsphäre erfolglos gewehrt. Ein Rechtsgutachten von Rechtsanwältin Prof. Dr. Regina Kiener (Universität Zürich) und Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter Dr. Arthur Brunner (Universität Zürich) bestätigen nun den Standpunkt der FDP, dass diese Bestimmungen gegen Bundesrecht verstossen. Die FDP-Fraktion wird entsprechend weiter gegen diese Bestimmungen angehen.

Am 3. Mai wurde das revidierte Thurgauer Polizeigesetz im Grossen Rat in erster Lesung beraten. Zu reden gaben vor allem die §47 Absatz 3 und §48a Absatz 1 und 2. Diese lauten nach der ersten Lesung:

§ 47    Sachen

1 Die Kantonspolizei kann zur Gefahrenabwehr und zur Fahndung Personen verpflichten, mitgeführte Sachen vorzuzeigen oder Behältnisse zu öffnen.

2 Zur Gefahrenabwehr oder zur Fahndung können Fahrzeuge und Behältnisse durchsucht werden.

3 Zur Gefahrenabwehr und zur Erkennung von Vergehen und Verbrechen dürfen elektronische Geräte vor Ort in Anwesenheit der betroffenen Personen eingesehen werden.

§ 48a  Räume im Rahmen von Vorfeldabklärungen[1]

1 Die Kantonspolizei kann zur Verhinderung von Menschenhandel und von schweren Betäubungsmitteldelikten Gastgewerbe-, Beherbergungs- und Erotikbetriebe sowie Räumlichkeiten, in denen gewerblich sexuelle Dienstleistungen angeboten werden, durchsuchen.

2  Die Kantonspolizei kann zur Erkennung, Verhinderung und Verfolgung von Vergehen und Verbrechen in Zentren des Bundes oder in Privat- oder Kollektivunterkünften für Asylsuchende Räume auf Reise- und Identitätspapiere sowie auf gefährliche Gegenstände, Betäubungsmittel und Vermögenswerte unklarer Herkunft hin durchsuchen.

3 § 48 Abs. 2 und 3 gelten sinngemäss.

Schon an der Sitzung meldete unter anderem die Fraktion FDP.Die Liberalen schwere Bedenken gegen diese Bestimmungen an. Dennoch wurden sie angenommen. Bei anschliessenden Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Justizbehörden wurden die Bedenken der FDP-Fraktion bestätigt. Daraufhin beauftragte sie Prof. Dr. Regina Kiener und Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter  Dr. Arthur Brunner mit einem Kurzgutachten zur Klärung, ob die neuen Bestimmungen mit Bundesrecht, insbesondere mit der Bundesverfassung und der Strafprozessordnung, vereinbar seien.

Das Gutachten kommt zum eindeutigen Schluss, dass die neuen Bestimmungen nicht bundesrechtskonform sind.

So schreiben die Gutachterin und Gutachter zum § 47 Abs. 3:

«In der jetzigen Fassung fehlt es § 47 Abs. 3 E-PolG an den – für eine verfassungskonforme Anwendung unabdingbaren – griffigen Konturen und an adäquatem prozeduralem Schutz. § 47 Abs. 3 E-PolG ist deshalb nicht mit der Verfassung zu vereinbaren. Würde polizeiliches Handeln künftig auf diese Bestimmung abgestützt, bestünde ausserdem die Gefahr, dass strafprozessuale Grundsätze übersteuert würden; dies könnte regelmässig dazu führen, dass Beweise, die gestützt auf § 47 Abs. 3 PolG erlangt worden sind, und auch Folgebeweise, in Strafprozessen nicht verwertet werden könnten, mit erheblichen Kostenfolgen für den Kanton.»

Ebenso eindeutig ist ihr Befund zu § 48a Abs. 1 und 2:

«Anders als der heutigen Regelung zur Durchsuchung von Räumen (§ 48 PolG) fehlt es den neu vorgesehenen Bestimmungen an griffigen Konturen. Darüber hinaus bestehen keine der Intensität des Grundrechtseingriffs entsprechenden und die Offenheit der Norm kompensierenden Sicherungen gegen Missbrauch. § 48a Abs. 1 und 2 E-PolG sind deshalb nicht mit der Verfassung zu vereinbaren. Würde polizeiliches Handeln künftig auf diese Bestimmungen abgestützt, bestünde ausserdem die Gefahr, dass strafprozessuale Grundsätze übersteuert würden; dies könnte regelmässig dazu führen, dass Beweise, die gestützt auf § 48 Abs. 1 und 2 E-PolG erlangt worden sind, und auch Folgebeweise, in Strafprozessen nicht verwertet werden könnten, mit erheblichen Kostenfolgen für den Kanton.»

Gestützt auf diese Erkenntnis wird sich die FDP-Fraktion weiterhin dafür einsetzen, dass die genannten Bestimmungen gestrichen werden. Die FDP ist überzeugt, dass jedem staatlichen Handeln – somit auch dem Handeln der Polizei – Grenzen gesetzt werden müssen und dieses überprüfbar sein muss. Mit den im Entwurf enthaltenen Bestimmungen ist dies nicht der Fall. Sie hat aber auch Verständnis für das Ansinnen der Polizei, zur Gefahrenabwehr insbesondere im Bereich Menschenhandel über griffige Instrumente zu verfügen. Daher wird die FDP-Fraktion im §25 entsprechende Anpassungen beantragen.